Nizwa gilt als heimliche Hauptstadt von Oman. Auf allen Seiten von Gebirgszügen umgeben, liegt die 100.000 Einwohner-Stadt am wasserreichsten Falaj Omans, dem Falaj Daris. Die Stadt besteht eigentlich aus einer Reihe an zusammengewachsenen Oasen, die sich um den Wadi Tanuf gebildet haben, wo auch das landeseigene Mineralwasser seine Quelle hat. Das Herz von Nizwa ist sein ovales Fort, das den Ausgangspunkt für eine Stadtmauer bildet, die den riesigen Suq schützend eingrenzt. Nizwa war auch für einige Zeit tatsächlich die Hauptstadt, bevor der Bürgerkrieg und mehrere Gegenimame im 17. und 18.Jahrhundert einen stetigen Wechsel an politischen Zentren hervorgerufen haben. Heute ist Nizwa ein wunderbar renoviertes Städtchen von dessen vollständig wieder aufgebautem Fort man einen hervorragenden Blick über die ganze Oase hat und in dessen Suq man nicht nur gut einkaufen, sondern auch ein paar warmherzige Bekannschaften machen kann.
Das Fort besteht eigentlich nur aus einem Wehrturm mit ca. 40 Meter Durchmesser, der sich gleich hinter der (alten) Sultan Qaboos Moschee auftürmt. Die Moschee ist auch für Nicht-Muslime zwischen 8:00 und 11:00 Uhr zu besichtigen, solange die Besucher Arme und Beine vollständig bedecken, die Schuhe ausziehen und die Frauen Kopftuch tragen. Auch hier wird ein blauer Teppich ausgerollt, damit kein Schmutz auf den riesigen Knüpfteppich am Boden gelangt. Sauberkeit wird nämlich generell sehr groß geschrieben. Es passiert sehr leicht, dass die Einheimischen im Vorbeigehen bei staubigen Hosenbeinen die Nase rümpfen, während sie selbst strahlend weiße Dishdahs tragen. Im Gegensatz zur riesigen repräsentativen Moschee und Muskat (und wohl auch zur neuen Moschee vor den Toren Nizwas), wirkt dieses Gebäude viel schlichter und mehr im alltäglichen Gebrauch.
Gleich hinter der Moschee liegt einer der Eingänge in die Altstadt und der Eingang ins Fort. Ähnlich wie viele Forts in der Region ist auch dieser Bau fast ausschließlich aus Lehm errichtet worden und hat im Gegensatz zu vielen anderen historischen Gebäuden auch tatsächlich die Zeit überdauert. Die Kanonen auf dem Turm kamen zuletzt in den 1960er Jahren zur Jebel Akdhar Revolution zum Einsatz, als es abermals Versuche einer Art Unabhängigkeit in der Region gab und britische Flieger Luftangriffe auf Nizwa starteten.
Heute kann man nach Belieben durch eine Vielzahl an Wohngebäuden, Räumlichkeiten der Wachen und Lagerräumen wandern und die Ruhe genießen, wenn der anschließende Suq zwischen 13:00 und 16:30 Uhr geschlossen hat. Auf dem Turm sind sogar Kissen und Teppiche ausgelegt, in denen man den angenehmen Schatten der 10 Meter hohen Turmmauern genießen kann. In den vielen Innenräumen stellen Handwerker verschiedene Aspekte des traditionellen Handwerks vor und es gibt ein kleines Museum, das unter anderem über das Indigofärben aufklärt, das für die traditionellen Kleidungsstücke unerlässlich war.
Dazu ein kleiner Exkurs zu den Kleidungsstücken der Frauen und der viel diskutierten Burka. Auch im Oman gehen die Frauen niemals ohne ihr Kopftuch und die bodenlangen, weiten Kleider auf die Straße. Der Grund dafür ist vorwiegend praktischer Natur. Am Land wie in der Stadt werden kostbare seidige Stoffe bevorzugt, die angenehm kühl auf der Haut liegen. Um diese Stoffe vor Licht und Schmutz zu schützen, werden lange Kopftücher getragen, die gleichzeitig als Überwurf dienen und oft bis unter die Knie reichen. Am Land sind die Stoffe generell farbenfroh und mit goldenen oder zumindest glitzernden Borten bestickt. In der Stadt setzt sich mittlerweile Schwarz als Modefarbe durch, wobei auch hier vielfältige Applikationen auf den feinen Stoffen angebracht sind und manchmal nur der Überwurf wirklich schwarz ist. Nur besonders noble Damen ziehen es vor sich ganz in schwarz zu kleiden und ihr Gesicht samt Augen komplett hinter einem Schleier zu verstecken. Sonnenbräune oder gar Sommersprossen sind in gehobenen Kreisen nämlich ähnlich verpönt, wie man es aus Japan kennt. Die Burka letztendlich besteht im Oman nur aus einer richtigen Gesichtsmaske, die man im alltäglichen Gebrauch allerdings eher selten sieht. Jede Region hat einen eigenen Schnitt für diese Maske, die traditionell auch nicht schwarz, sondern indigoblau ist, da sie gleichzeitig als Symbol des Erwachsenenalters und als Talisman getragen wurde. Historisch gehören außerdem schwere Silberketten zu dieser Tracht, so trugen die Beduinenfrauen nämlich ihren Reichtum mit sich herum. Der Überwurf hatte so schlicht die Funktion das Geld zu verstecken.
Die Männer tragen eher einfache bodenlange Hemden (Dishdash) und eine Kappe. Am Hals sieht man einen kleinen Pommel, der morgens in Parfum getunkt wird, damit stets ein angenehmer Geruch in der Nase bleibt. Bei offiziellen Aktivitäten wird zusätzlich ein Turban über der Kappe getragen, an Feiertagen gehört auch der traditionelle Silberdolch (Khanjar) und manchmal ein altes Gewehr zur Tracht.
Zurück zur Altstadt von Nizwa: Es versteht sich von selbst, dass all die beschriebenen Kleidungsstücke neben einer Vielzahl an Souveniers und natürlich jeder Art von Lebensmitteln am Suq gekauft werden können. Im Gegensatz zu Touristenmeile in Mutrah halten sich die Ladenbesitzer dezent im Hintergrund und verhandeln auch nicht gerne. Beraten wird stets freundlich und am liebsten bei Kaffee und Datteln. Die Läden sind dabei ein kuriose Ansammlung an echten Antiquitäten, altem Ramsch und Souveniers. Neben dem Handwerksabschnitt, gibt es eine ganze Straße an (meist indischen) Schneidern und Stoffgeschäften, Haushaltswaren und schließlich dem Obst- und Gemüsemarkt, in dem auch die verschiedensten Geschmacksrichtungen des Halwa verkauft werden. Besonders sehenswert ist der Dattelsuq, wo man sich durch die verschiedensten Dattelsorten kosten kann und als einfältiger Ausländer lernt, dass es 120 verschiedene Sorten davon gibt.
Zu Gast bei einer omanischen Familie
Wer sich ein bisschen Zeit nimmt und mit den Einheimischen plaudert, wird auch leicht eingeladen. So haben auch wir unseren Hochzeitstag im Wohnzimmer eines netten Omanis namens Amor bei einem kleinen Festmahl verbracht. Abgesehen von Muskat ist die Gegend nach wie vor nur mittelmäßig touristisch, weswegen die Einheimischen auch den Ausländern gegenüber gerne ihre Gastfreundlichkeit zeigen. Für Europäer recht ungewohnt wird dafür nichts erwartet, außer einer netten Unterhaltung und die Aussicht bei der Durchreise vielleicht irgendwann mal auch auf Besuch kommen zu können. So sagt auch unser Gastgeber grinsend: „Have a friend in every country.“ Die Omanis sind vielleicht auch ein wenig eigennützig in diesem Verhalten, weil sie wirklich gerne über ihr Land und ihre Bräuche erzählen und manchmal wohl etwas frustriert darüber sind, dass man sie im Ausland gar nicht kennt oder viele Vorurteile herrschen.
Gegessen wird übrigens am Boden. Ein Papiertischtuch dient als Unterlage. Vor der Hauptspeise wird Kaffee und Datteln mit Sesamsauce sowie frisches Obst serviert. Zur Hauptspeise haben wir gekochte Wachteln und eine Art Kürbis in Milchsauce genossen. Ein einfaches aber wirklich wohlschmeckendes Essen. Gegessen und gereicht wird ausschließlich mit der rechten Hand. Abfälle werden anschließend zusammen mit der Unterlage entsorgt.
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